"Keinstrandwetter"
Wild, schön, ruhig: Xerokambos
Es ist ein trüber Tag. Meine Inselfreundin präsentiert sich in einem faden Mausgrau.
Ihrer unglaublichen Schönheit und ihrer Ausstrahlung kann das nichts anhaben.
Kreta ist bei jedem Wetter schön.
Das merken wir erneut, als wir uns mit der Knutschkugel über Ágios Nikólaos auf den Weg nach Ierápetra machen.
Ierápetra gehört zu der Präfektur Lasíthi.
Ihre Vororte mit eingerechnet, ist sie ist mit ihren etwa 16000 Einwohnern nicht nur die einzige Stadt an der Südküste Kretas, sondern gleichzeitig die südlichste Stadt Europas.
Nur etwa 400 Kilometer trennen sie von Libyen.
Bemerkbar macht sich die Nähe zu Afrika unter anderem, indem die Berge rund um die Stadt wegen des Wüstenwindes, dem „Scirocco“, oft von einem grauen Schleier umgeben sind. Es kann vorkommen, dass die Temperaturen in den Sommermonaten auf über 40 Grad Celsius hinauf klettern.
Orientalische Einflüsse finden sich auch heute noch. Beispielsweise gibt es ein Minarett und eine Moschee.
Das Wahrzeichen der ansonsten eher modern gestalteten Stadt, ist das venezianische Kastell aus dem 17. Jahrhundert.
Von Ierápetra aus ist Napoleon nach Ägypten aufgebrochen.
Ein kleines Haus erinnert an seinen Aufenthalt auf Kreta.
Im archäologischen Museum in Ierápetra lässt sich Weiteres erfahren.
An der ca. 800 Meter langen Uferpromenade gibt es eine große Auswahl an Cafés und Tavernen.
Die Küstenregion, von der die Kleinstadt umgeben ist, ist ausgesprochen kahl und trocken.
Treibhäuser prägen das Landschaftsbild. Hier wird Obst und Gemüse angebaut, das teilweise auch andere Regionen Europas versorgt.
Eine kleine Ausgrabungsstätte fliegt zu unserer Rechten an uns vorüber.
Kreta ist voll mit historischen Schätzen. Überall auf der Insel finden sich Spuren vergangener Zeiten.
Wir parken am Hafen von Ierápetra.
Ein heftiger, kalter Wind lässt die Fischerboote im Hafen aufgeregt schaukeln.
Hafenarbeiter rufen einander etwas zu, aber der starke Wind trägt ihre Worte ungehört davon.
Fröstelnd schlendern wir an der Meile mit den Hafentavernen entlang und erkunden den Ort. Doch der extreme Wind und der starke Baulärm um uns herum lässt unsere Entdeckungslust schrumpfen wie einen altersschwachen Luftballon.
Wir sind froh, als wir wieder in der Knutschkugel sitzen. Plüsch-Schildkröte Zoé muss als Handwärmer herhalten.
Ierápetra
Voller Vertrauen darin, dass Kreta uns garantiert wieder mit weitaus schöneren An‐und Ausblicken überraschen wird, fahren wir weiter die Küstenstraße entlang.
Koutsounári, der lang gestreckte Touristenort mit seinem langen Sandstrand, wirkt heute verlassen. Leichter Regen setzt ein.
Nach einer Weile schraubt sich die Straße serpentinenartig nach oben. Allerdings nur für kurze Zeit. Die Fahrt ist weitgehend unspektakulär und ein wenig öde.
"Hoffentlich wird das heute noch ein bisschen abwechslungsreicher", mault mein bester Ehemann von allen, "sonst schlafe ich hier ein!"
Unsere Inselfreundin schweigt beleidigt.
Aber Kreta wäre nicht Kreta, wenn nicht früher oder später ihre landschaftliche Vielfalt zum Vorschein käme.
Es geht weiter auf kurvigen Straßen, vorbei an Olivenbäumen und dem einen oder anderen verlassenen Haus.
Zwischen den Hügeln entdecken wir interessant geformte felsige Gebilde mit höhlenartigen Öffnungen. Manche sehen aus wie mystische Gestalten aus einer anderen Welt.
Kugelförmige Grünpflanzen, Sträucher mit pinkfarbenen Blüten und satten, grünen Blättern ziehen an uns vorüber.
Zwischen schieferartigen Felsen leuchten dann und wann schneeweiße Kapellen.
Hellgraue, fast schon weiße dicke Wattewolken kleben wie überdimensionale Marshmallows an den Gipfeln der Berge.
Bald darauf wird es sehr kurvig und steil.
Die herrliche Aussicht auf die weitläufige Hügel‐und Berglandschaft ist wegen der Wetterverhältnisse leider getrübt.
Die geschwungene Straße schlängelt sich harmonisch durch die bergige Landschaft.
Manchmal scheint die Straße geradewegs ins Meer hineinzuführen - oder in den Himmel.
Typisch Kreta: Straßen, die geradewegs ins Meer zu führen scheinen.
Nach jeder Kurve und hinter jeder Anhöhe verändert sich die Perspektive.
Unterhalb gibt die Insel den spektakulären Blick auf die Bucht von Xerókambos frei.
Herzmoment!!!
Xerókambos bedeutet so viel wie „trockenes Feld“ und liegt - wie viele der wenig besuchten Strände -- im südöstlichen Hinterland Kretas.
Die einsamen Schönheiten werden durch Felsgruppen voneinander getrennt. Einige der Strände sind noch vollkommen ohne Infrastruktur und daher weitgehend verschont von Massentourismus.
Die Zufahrt erfolgt über Zíros und Zákros. Seit es diese Möglichkeiten gibt, wird das touristische Angebot in der Umgebung allerdings weiter ausgebaut.
Dennoch ist die Lage ideal für Menschen, die wahrhaftig ruhige Urlaubstage verbringen möchten.
Obwohl das Wetter nicht so ganz mitspielt, werden wir von dem Ausblick vollkommen gefesselt.
Das ist pure, kretische Insel‐Hypnose!
Am Strand von Xerókambos ist der Wind so stark, dass es unmöglich ist, die Kamera stillzuhalten.
Die umherwirbelnden Sandkörner werden zu piksenden Nadelstichen auf der Haut.
Sogar das Atmen funktioniert nur mit äußerster Konzentration.
Wie schade, denn die Kulisse ist ein absoluter Traum!
Wie Kinder des Meeres strecken kleine Felsen ihre glänzenden Köpfe aus dem Ozean.
Das Wasser schimmert in allen erdenklichen Blautönen.
Die umnebelten Hügel und Berge in der Ferne sehen aus, als seien sie soeben aus den Tiefen des Meeres hinaufgestiegen.
Flammend rote Blüten leuchten zwischen niedrigen Palmen und dunkelgrünen Blättern.
Es gibt keine einzige Sonnenliege und auch keine Strandbar.
Der Wind heult um die Felsen und lässt die tosende Brandung brüllen.
Außer uns ist keine Menschenseele zu sehen.
Und das ist auch gut so.
Xerókambos
Unser Fazit:
Gerade die Ruhe und Abgeschiedenheit ist für uns der beste Grund, Xerókambos in die Liste unserer persönlichen Lieblingsorte aufzunehmen.
Würden die hellen Sandkörner nicht so unberechenbar und wild umhertanzen ... wir wären ganz sicher länger geblieben!