Wie eine Reise in längst vergangene Zeiten
Lasithi-Hochebene: Steinwindmühle mit den charakteristischen Leinensegeln
Hinweis: Dieser Blogartikel enthält Textauszüge aus meinem Buch "Zurück nach Kreta - Zwanzig Tage Inselmagie"
Dass auf Kretas Überraschungen immer Verlass ist, zeigt uns die Insel heute mehr als deutlich.
Ein fantastischer Tag voller Inselgeschenke und Herzmomente liegt hinter uns.
Bei Sonnenschein, hellblauen Himmel und einzelnen Wolken starten wir mit unserer Tour zur Lasíthi‐Hochebene.
Sie soll sich bequem mit dem Auto umrunden lassen.
Als wir in Richtung Agios Nikolaos kurven, wird unsere Knutschkugel von der Sonne ordentlich aufgewärmt.
Olivenbäume fliegen an uns vorbei und ihre silbrig glänzenden Blätter bewegen sich freundlich winkend im Wind.
Was für eine Begrüßung!
Die gut befahrene Straße windet sich kurvig zwischen den Bergen.
Die sanften Riesen bauen sich vor uns auf, als würden sie uns mit einer felsigen Umarmung willkommen heißen wollen.
Heeerz‐Momeeent!!!
Auf unserem Weg zur Lasíthi-Hochebene durchqueren wir das kleine Dörfchen Agios Konstantinos und es sollen noch viele winzige ursprüngliche Ortschaften mit kretischem Charme folgen.
An jeder Ecke schauen wir in die lächelnden Gesichter der Dorfbewohner. Viele von ihnen winken uns grüßend zu.
Am Straßenrand wachsen duftende Kräuter und Blumen.
Der blumige und manchmal auch würzige Geruch macht sich in der Knutschi breit wie ein unsichtbarer Nebel aus natürlichen Dufterlebnissen.
Aus dem Radio klingt griechische Musik.
Im Laufe der Zeit wird es zunehmend kurviger und steiler. Manchmal muss ich schlucken, um den aufkommenden Druck in meinen Ohren loszuwerden.
Etwa 70 Kilometer westlich von Heraklion liegt das eindrucksvolle Lasíthi-Plateau – eines der schönsten landschaftlichen Leckerbissen der Insel. Es handelt sich um eine fruchtbare Region, umgeben vom imposanten Díkti-Gebirge.
Am Fuße der Berge gibt es 18 Dörfer, die durch eine 23 Kilometer lange Straße miteinander verbunden sind.
Bekannt ist die Lasithi-Hochebene für ihre Windmühlen mit den hellen Tüchern. Sie sind zu einer Art Erkennungszeichen der Region geworden und stammen von Peloponnesischen Siedlern, die Ende des 19. Jahrhunderts auf die Insel kamen, um das Plateau zu bewässern.
Heute sind nur noch wenige der ehemals ca. 10000 Windmühlen zu sehen. Zum Teil wurden sie restauriert und sind beliebte Fotomotive.
Am Eingang des Plateaus gibt es mit 24 Mühlen den größten Steinmühlenwindpark Griechenlands.
Kreta Tipp: Ein Ausflug zur Lasithi-Hochebene mit fantastischen Aussichten und den charakteristischen Windmühlen.
Das Lasíthi-Plateau ist von den Minoern kultiviert worden.
Es gilt als letzte Bastion des Widerstandes der minoischen Kultur gegen die Dorier.
Des Weiteren ging die große Schlacht von Lasithi im Mai 1867 zur Zeit der türkischen Besatzung in die Geschichte Kretas ein.
Darüber hinaus war und ist die Umgebung eng mit der kretischen Mythologie verbunden.
Eine der beiden vermuteten Geburtshöhlen des Göttervaters Zeus (die Höhle von Psichró) ist ein weiterer großer Anziehungspunkt in der Ebene.
Mit dem Auto kann die Hochebene ringförmig umrundet werden.
Wir entscheiden uns dafür, den „Ring“ um die Ebene zu durchfahren und fühlen uns wie auf einer Zeitreise.
Frauen mit schwarzen Kopftüchern sitzen vor den Häusern. Sie sind mit Handarbeiten beschäftigt. Ein gebeugter Mann läuft barfuß mit einem Esel die Straße entlang und spuckt Dattelkerne auf den staubigen Weg.
Zwei Kinder haben sichtlich Spaß daran, eine hölzerne Schubkarre vor sich herzuschieben. Sie ist voll beladen mit trockenen Zweigen.
Wenn sie einen der Zweige verlieren, kämpfen sie spielerisch darum, wer ihn aufheben darf.
Kirchenglocken läuten und klingen so, als sei es immer noch genau das Läuten, das die Menschen vor Jahrhunderten schon gehört haben.
Wann immer wir eine der Windmühlen mit ihren hellen Segeln entdecken, wundere ich mich darüber, dass mein Herz freudig hüpft. Sie kommen mir merkwürdig vertraut vor. Ich kann nichts weiter tun, als sie anzuhimmeln.
Mein bester Ehemann von allen beobachtet mich schmunzelnd.
„Na?“, grinst er. „Kreta-Magie?“
Ich schüttele den Kopf – unfähig, auch nur annähernd zu beschreiben, warum mich der Anblick einer Windmühle nicht nur fesselt, sondern auch ein tiefes Glücksgefühl hinterlässt.
Es fühlt sich an, als würde in meinem Herzen die Sonne aufgehen.
Heeerz-Momeeent!!!
Den Besuch der Höhle von Psichró sparen wir uns.
Auf dem Parkplatz reihen sich die Reisebusse aneinander.
Touristen klettern mit steifen Gliedern aus den Safari-Jeeps und recken sich. Vermutlich haben sie eine längere Fahrt hinter sich.
Wir haben keine Lust, uns in die lange Schlange am Eingang einzureihen.
Auch ohne den Besuch der Höhle wird dieser Ausflug zu einem unvergesslichen Erlebnis für uns.
Ganz langsam fahren wir voran, um keine fantastische Aussicht zu verpassen.
Der Foto-Monk verlangt das so.
Wie sich herausstellt, ist das der richtige Plan.
Nirgendwo sonst haben wir den kretischen Frühling intensiver erleben dürfen als inmitten des Lasithi-Plateaus.
Ein Blütenteppich aus Wildblumen breitet sich über den unendlich weiten Wiesen aus und verströmt Duftkompositionen, die meine Nase noch niemals wahrgenommen hat.
Manche Blüten sind so weiß und zart, als seien sie von Elfen erschaffen worden.
Andere erfrischen mit ihrem intensiven Orangenrot und Zitronengelb den Geist und sorgen für gute Laune. Zwischen rotem Mohn und gelben Ginster ragen fliederfarbene Stauden in den Himmel hinein.
Ein Paradies für Bienen.
Von den Bergen schützend umschlossen, schlängelt sich ein schmaler Bach durch die Wiesen.
Lasíthi-Hochebene: Impressionen
Ich komme mir vor wie unter einer märchenhaften Glaskuppel.
Dieser Ort ist – im wahrsten Sinne des Satzes – viel zu schön, um wahr zu sein.
Heeerz-Momeeent!!!
„Können wir bitte weiterfahren? Ich will mir Sfendíli anschauen.“
Mein bester Ehemann von allen sitzt startklar in der Knutschkugel.
„Wenn es sein muss. Lass mich nur noch eben diese Blume hier fotografieren."
Das zarte lavendelfarbene Geschöpf mit Blütenblättern wie Samt schreit geradezu nach meiner fotografischen Aufmerksamkeit.
„Aber du hast doch schon hunderte von Bildern!“, ruft mein Mann zu mir herüber. „Was willst du denn mit dem ganzen Zeug?“
„Pfft, ‚Zeug‘ hat er zu dir gesagt“, flüstere ich dem Lavendelblümchen zu und suche nach der besten Kameraperspektive. „Dabei bist du so ein bezauberndes Wesen.“
„Komm schon“, drängelt mein Mann.
Seufzend verstaue ich unsere Kamera.
Ich bin schon fast auf dem Weg zur Knutschi, als ich ein leises Glöckchenläuten höre. Es ist so zart, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich es mir nur einbilde.
Um besser hören zu können, bleibe ich stehen und konzentriere mich auf alle Geräusche, die ich wahrnehmen kann.
„Hach, was ist denn jetzt schon wieder!?“, fragt mein Mann.
Eine Biene summt eifrig um das Lavendelblümchen herum. Der Wind streift raschelnd über den Blütenteppich.
Leise plätschert der Bach.
Und dann kann ich es hören.
Schäfchenglocken.
Nicht ein oder zwei – nein, es müssen viele sein. Sehr (!) viele! Der helle Glöckchenklang vermischt sich mit den Rufen der Tiere. Die Wellen ihres Echos breiten sich in meinem Inneren aus und sorgen für einen Schauer wohliger Wärme.
„Ein Bergkonzert“, denke ich glücklich.
Im Geiste sehe ich Kreta zufrieden nicken.
Sie mag Dankbarkeit.
"Ehrliche Dankbarkeit wirkt wie eine Nachbestellung.
Sie produziert mehr von dem, wofür du dankbar bist."
Es dauert eine Weile, bis wir sehen, dass in der Ferne ein Schäfer seine vierbeinigen Schützlinge den Berg hinuntertreibt.
„Schnell!“, rufe ich meinem Mann zu. „Du musst aussteigen!“
„Nein, ich will aber nicht aussteigen!“
„Doch. Willst du. Da sind SCHAFE!“
Schafe funktionieren immer.
Ziegen auch.
Sie lassen unserer Herzen sofort höher schlagen. Wenn sie Glöckchen tragen, noch viel mehr.
Kurz darauf stehen wir am Fuße der begrünten Ebene und beobachten, wie ein Schaf nach dem anderen den Hang hinunterklettert. Dicht an dicht wackeln die Tiere hintereinander her.
Heeerz-Momeeent!!!
Schafherde auf der Hochebene
Erst, als das letzte Schaf den Hang verlassen hat, setzen wir unsere Fahrt fort.
Nun ist es mein Mann, der wie verzaubert dasitzt und kaum noch ein Wort herauskriegt.
„Mein Gott, war das schön!“, platzt es schließlich aus ihm heraus. Und dann ruft auch er durch das geöffnete Fenster der Knutschi hinaus:
„DANKE, Kreta! Du bist einfach die beste Insel von allen!“
Ich könnte schwören, Kreta lachen zu hören. Sie heckt was aus.
Wenige Minuten später wird uns klar, was.
Zuerst rennt nur ein einzelnes Schaf den Hang hinunter auf die Straße. Für uns zum Glück weit genug entfernt, um die Geschwindigkeit deutlich drosseln zu können. Aus einem Schaf werden zwei, dann drei.
Dann viele.
Die Schafe strömen in Scharen den Hang hinunter zu uns auf die Straße, während wir uns mit der Knutschi allenfalls im Schritttempo voran bewegen.
Ehe wir uns versehen, sind wir mittendrin. Die Tiere rennen rechts und links an uns vorüber.
Ihr Blöken ist so nah wie nie.
Wir können sie riechen.
Wenn sie an meinem geöffneten Fenster vorbeirennen, kann ich sogar ihr aufgewärmtes Fell berühren.
Manchmal hüpfen sie übereinander.
Eines von ihnen verstellt bei einem übermütigen Springversuch den Außenspiegel der Knutschkugel.
Blöken, bimmeln, Schafgeruch.
Wir staunen, wir lachen. Ich platze vor Glück.
Und was macht Kreta?
Sie schickt uns noch mehr Schafe!
"Jedes Gefühl von dir
verstärkt die Dinge im Außen."
Wir haben den Eindruck, dass unsere Inselfreundin alle Schafe der Insel um uns versammelt hat und nicht einmal im Traum daran denkt, dieses besondere Erlebnis enden lassen zu wollen.
Heeerz-Momeeent, Heeerz-Momeeent, Heeerz-Momeeent!!!
Eine kleine Ewigkeit lang dürfen wir uns wie ein Teil der blökenden Herde fühlen.
Erst als wir beginnen, unsere Sprache wiederzufinden, verschwindet ein Schaf nach dem anderen auf der weiten Ebene einer riesigen Wiese.
Wir sind uns einig darüber, dass dies eines der schönsten Momente gewesen ist, die wir bislang auf unserer fantastischen Insel erlebt haben.
Auf unserer Heimfahrt glühen die beeindruckenden roten Berge im Schein der Abendsonne.
Heeerz-Momeeent!!!
Und wieder neigt sich ein unvergesslicher Tag voller Inselzauber seinem Ende entgegen.
Efcharistó, Kreta!