top of page
AutorenbildKirstin

Abschied nehmen von Kreta

Aktualisiert: 15. Aug.

Kreta: Georgioúpolis, Kavrós, Fahrt zum Flughafen in Heraklion


Urlaubstag Nummer 13 ist auffällig nahe am Urlaubstag Nummer 14.

Und Urlaubstag Nummer 14 bedeutet Abschied zu nehmen von meiner Insel‐Freundin, von all den wunderbaren Menschen, dem Inselduft, dem besonderen Zauber Kretas und "unserem" Dorf Exópolis, wo unser Herz inzwischen zu Hause ist.

So was wie Endzeitstimmung kommt bei uns auf, obwohl wir uns immer wieder dazu ermahnen, im "Jetzt" zu bleiben.

So hat es uns unsere Inselfreundin gelehrt. Doch ziemlich offensichtlich haben wir diese wichtige Kreta‐Lektion immer noch nicht richtig kapiert.


Wir finden es taktisch äußerst klug, schon heute mit der "Abschiedstour" zu beginnen.

Je mehr Menschen wir kennenlernen, desto länger dauert sie halt.

Und wenn wenn wir die Verabschiedungen heute schon hinter uns bringen, wird es morgen vielleicht nicht mehr ganz so schlimm - bilden wir uns jedenfalls ein.


Tatsächlich sind wir (fast) den ganzen Tag damit beschäftigt, lieb gewonnene Menschen zu treffen.

Mal gezielt und geplant, und mal "zufällig".

Ab und zu wird Zoé, unsere Reiseschildkröte, erkannt. Wie immer ergeben sich daraus schöne Unterhaltungen mit netten Menschen, die die Insel ebenso lieben wie wir.

Heeerz-Momeeente!

Wir schlendern durch Georgioúpolis, verabschieden uns, kaufen Souvenirs, streicheln Katzen, nehmen uns immer wieder die Zeit, die kleine weiße Kapelle im Meer zu bewundern und werden überhäuft mit ehrlicher intensiver Herzlichkeit.


Kapelle in Georgioúpolis


Es fühlt sich an wie ein warmer Tee an einem kalten Wintertag.

Und trotzdem:

Abschied von Kreta zu nehmen, ist tausendmal schlimmer als Stinkefüße, Mückenstiche oder Hundekacke unterm Schuh.

Gaaanz furchtbar!!!


Der Flughafen in Heraklion ist für mich wie ein Gebäude mit zwei Gesichtern.

Bei der Ankunft finde ich ihn klein und gemütlich und niedlich und toll.

Bei dem Rückflug finde ich ihn ungemütlich und kalt und hektisch und »doof«.

Dieses Mal sogar ganz besonders doof.

Das Kofferband unserer Fluglinie ist defekt.

Die Umgebung rund um den Schalter wird mit Sperrholzplatten abgedeckt.

Dahinter hören wir ohrenbetäubende Bohrgeräusche, die uns durch Mark und Bein gehen.

Uns wird mitgeteilt, dass wir an den Schalter einer Schweizer Fluggesellschaft ausweichen sollen

Die Schlange an dem Stand ist lang, und die Leute sind sehr genervt.

Die Mitarbeiter des Flughafens sind gestresst; einige sehen sehr müde aus.

Und weil sie so gestresst sind, wirken sie unfreundlich und wortkarg.

Wenn sie dann doch mal etwas sagen, fehlt die Herzlichkeit, die wir 14 Tage lang genossen haben.

Irgendwie fühlt sich das Ganze hier überhaupt nicht mehr wie Kreta an.

Im Handumdrehen katapultiert es uns aus unserer schönen, geborgenen Urlaubs-Bubble hinaus.

Willkommen im hektischen Alltag! .

Die junge Frau vom Snack-Stand versucht uns anzulächeln. Es ist ihr anzusehen, wie viel Mühe sie das kostet.

Wir lächeln auch nicht; also brauchen wir uns über die anderen miesmuffeligen Leute um uns herum nicht wundern.

»Wie es in den Wald hinein schallt, so schallt es heraus«, höre ich Kreta sagen.

Mit zwei Lachs-Baguettes und einem Getränk schlurfen wir müde und lustlos in den ausgewiesenen Wartebereich. Hier finden wir zwei Sitzplätze und können auf das Rollfeld blicken.

Unsere Maschine ist schon gelandet. Alle Passagiere haben den Flieger verlassen.

Ich beneide jeden einzelnen von ihnen und stelle mir vor, wie sie nun voller Vorfreude an dem Gepäckband stehen und bald darauf erstmals den Duft der Insel schnuppern dürfen.

Inselduft... Ich werde ihn so sehr vermissen!

Mein Mann und ich schauen in die Gesichter der umsitzenden Mitpassagiere und fühlen uns stimmungsmäßig in bester Gesellschaft.

Selbst die Lautsprecherdurchsage ist alles andere als fröhlichkeitskompatibel.

In einer fürchterlichen Lautstärke ruft eine feldwebelartige Frauenstimme die Passagiere für den Flug nach Paris auf.

Vor lauter Schreck fällt mir beinahe das knochenharte Baguette aus der Hand. Käsige Krümel landen in meinem Handgepäck.

Immerhin sorgt das »liebreizende Stimmchen«, das die Durchsage noch einmal lautstark wiederholt, bei den Wartenden für Gelächter.

Wer den Aufruf immer noch nicht verstanden hat, ist entweder taub oder emotionsresistent.


Wenig später sitzen wir völlig übermüdet in unserem Flieger.

Bevor er Fahrt aufnimmt und sanft vom Boden abhebt, verabschiedet sich Kreta, indem sie uns noch einmal einen Blick aufs Meer werfen lässt.



Bei unserer Ankunft lieben wir diesen Anblick.

Es ist fantastisch, in Heraklion zu landen und sofort das lang ersehnte Meer zu sehen.

Beim Rückflug ist der Anblick nicht weniger schön.

Er schmerzt nur etwas.

Kreta flüstert:


»Ein trauriges Herz

sieht keine Schönheit

und hört nicht das Wesentliche.«


Den Großteil des Fluges verschlafen wir.

Manchmal werde ich kurz wach und habe jedes Mal die leise Hoffnung, dass der Rückflug nur ein Traum ist.

Ist er aber nicht.

Doch wenn ich die Augen schließe, stehe ich wieder an meinem Lieblingsplatz – dort oben in den Bergen auf unserer Terrasse in Exópolis – und blicke glücklich auf die Bucht von Georgioúpolis.

Den heimischen Flughafen erreichen wir planmäßig.

Es ist grau in Deutschland, es ist nass und – zumindest für mein Empfinden viel zu kalt.

Entgegen unserer Befürchtungen haben wir unsere Koffer schnell und vollständig in Empfang nehmen können.

Eilig laufen wir die wenigen Meter bis zum Parkdeck. Die Kapuzen schützend bis tief ins Gesicht gezogen, sind wir froh, endlich im Auto zu sitzen und uns auf den Weg nach Hause zu machen.

Die Scheibenwischer sind im eifrigen Dauereinsatz. Mein bester Ehemann von allen hat die Fußheizung von »Haggy« für mich aktiviert.

»Haggy« (abgeleitet von Harry Potters »Hagrid«) ist übrigens das Auto meines Mannes.

Es ist viel größer als die kretische Knutschkugel.

Deshalb heißt er ja auch »Hagrid«.


Als wir beinahe an unserem Wohnort angekommen sind und in unserer ländlichen Gegend den Kreisverkehr erreichen, quetscht sich ein grüner Traktor direkt vor unsere Nase.

Fortan ruckelt er im schaukelnden Gemütlichkeits-Modus vor uns her.

»BLÖDMANN!«, schimpft mein Mann.

Wegen der merkwürdigen Fahrweise des Traktorfahrers hat er nicht die geringste Chance, an dem Gefährt vorbeizukommen.

Wenn man nicht aufpasst, kann es schnell wieder vorbei sein mit der berühmten kretischen Gelassenheit, die wir glaubten, so gut verinnerlicht zu haben.

Ich habe bisher keinen anderen Ort auf der Welt kennen gelernt, an dem ich besser und schneller entschleunigen kann als auf Kreta.

Das liegt mit Sicherheit an der gelassenen Ruhe und der wunderbaren Mentalität der Inselbewohner.

»Wie unnötig, sich über so einen Mist aufzuregen«, erkennt auch mein Mann, kurz nachdem er wie ein Rohrspatz über den Traktorfahrer geschimpft hat.

Kaum hat er diese Erkenntnis ausgesprochen, wird es plötzlich hell um uns herum.

Durch die dichte, graue Wolkendecke hat die Sonne sich einen Weg gebahnt und beschenkt uns nun mit einem dieser fantastischen Lichtfächer, die ich so sehr liebe.

Ein Gruß aus Kreta.

Heeerz-Momeeent!!!


Meine Insel hat ihr Wort gehalten.

Kreta kann überall für mich sein – ich muss es nur erkennen.

Kurze Zeit später sind wir wieder zu Hause.

Unser alter Kater, den unsere lieben Nachbarn während unserer Reise hervorragend versorgt haben, begrüßt uns lautstark und hört nicht mehr auf zu »reden«.


Seit sein Bruder dieses Jahr im Januar über die Regenbogenbrücke gegangen ist, genießt er seine Rolle als »Einzelprinz«.

Dementsprechend verhält er sich auch.

Katzenmenschen kennen das.

Natürlich wird unser Prinz (Leines der erste) ausgiebig von uns begrüßt. Er weicht den ganzen Tag nicht von unserer Seite und folgt uns auf Schritt und Tritt.

Heeerz-Momeeent!


Im Geiste sehe ich Kreta zufrieden nicken.

»Siehste«, sagt sie, »deine Herz-Momente, die gibt es auch da, wo ich nicht bin!«

So sehr wir uns auch über unser gemütliches zu Hause freuen und so sehr wir es auch genießen, dass unsere Lieben daheim froh sind, uns wieder heile zurückzuhaben:

Der erste Tag zu Hause fühlt sich trotzdem unwirklich und seltsam an.


Auf dem Wäscheständer unserer heimischen Terrasse flattern die blau-weißen Strandtücher im Wind.

Unsere mitgebrachten Souvenirs stehen sorgsam sortiert auf der Küchenzeile. Oliven haben wir bei unserem Kumpel Stelios eingekauft.

Ebenso verschiedene Souvenirs, wie immer auch für unseren griechischen Freund Nikos, der ein großartiges, griechisches Restaurant betreibt. Er freut sich, wenn wir »ein Stück Heimat« mitbringen. Das ist dann ein »Herzos Geschenkos«.

Wie »ein Stück Heimat« – fühlt es sich beim Auspacken der Souvenirs an.

Das Olivenöl lässt mich an meine Lieblingsbäume und die riesigen Olivenbaumplantagen auf Kreta denken. Beim Anblick des Notizbuches habe ich Stelios vor Augen, bei dem mein Mann das Heft gekauft hat.

Die zipfelmützigen Teelichthalter erinnern mich an den kleinen Laden in den Bergen, in dem wir sie gekauft haben. Und gleich darauf denke ich an das stimmungsvolle Töpferdorf Margaríthes, wo wir vor nicht allzu langer Zeit den Herzens-Kontakt mit den beiden liebenswerten Damen hatten.

Auf diese Weise setzen sich die Gedanken fort, und es fühlt sich ähnlich an wie Liebeskummer. Gaaanz, ganz schlimm!!!

An diesem Abend kritzele ich in mein rosafarbenes Reisetagebuch hinein:

»Abschiednehmen von Kreta ist schlimmer als Liebeskummer!«

Bevor ich einschlafe, sehe ich mich wieder barfuß durch den Sand laufen und habe den würzigen Kräuterduft der Insel in der Nase.


Kalinichta, Kreta.

Wir sehen uns wieder!







4 Ansichten

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page